21. Mai 2014, ESSLINGER ZEITUNG

Werbung für Chorgesang und edle Tropfen
NEUHAUSEN: Kammerchor Feuchts Eck kombiniert Konzert mit Weinprobe unter dem Titel "Im Feuerstrom der Reben"
Nach zwei Stunden Chorprobe ist Dirigent Klaus Breuninger perplex. "I nemm's glei weg", droht er und muss lachen. Ein paar Sänger haben mit dem Smartphone hantiert. Dass sie damit ein klares Ziel verfolgt haben, zeigt sich ein paar Minuten später, als die Bedienung ein Tablett mit drei Hefeweizen auf die Bühne des Saalbaus trägt. Singen macht durstig. Die Ablenkung ist nur kurz, trotz vorgerückter Stunden geht es konzentriert weiter, schließlich ist es die vorletzte Probe des Kammerchors Feuchtes Eck vor dessen Weinabend "Im Feuerstrom der Reben" in der Egelsee-Festhalle Neuhausen.


Dass Wein und Gesang harmonieren, zeigt die große Zahl von Liedern, die sich um den Rebensaft ranken. Eine Auswahl trägt das Feuchte Eck am Samstag vor. Das Repertoire reicht vom Opernchor über Volkslieder und Schlager von Udo Jürgens bis zu Beatles-Songs. Dazu bieten namhafte Württemberger Weingüter und Kellereien hochwertige Tropfen zum Probieren an. Unterstützt werden sie von den zwei württembergischen Weinprinzessinnen.
Der Laie ist in der Probe im Saalbau beeindruckt von der gesanglichen Qualität des Chors. Doch beim Dirigenten geht kein Lied ohne Korrekturen durch. Den Auftakt zum "Studium der Weiber" hätte er gerne "ein bisschen langsamer". Den Schluss wünscht er sich dann "etwas erzürnter". Den geforderten "Knalleffekt" leistet der Chor mit gesteigerter Dynamik und all seiner Stimmkraft. Bei "When I'm 64" von den Beatles deutet Breuninger auf das Notenblatt des Pianisten Edgar Holl und sagt: "Do tät ich an Takt mehr macha als drin steht." Es ist keine Korrektur der Komponistern des Dous Lennon/McCartney, aber das Arrangement für einen Chor unterscheidet sich von einem einer Band.
Bei den Weinen legt das Feuchte Eck Wert auf hohe Qualität. Dieser Maßstab gilt aber auch für den eigenen Gesang, betont der Vorstand Dieter Schaller. Daher schätzt er den hohen Anspruch des Dirigenten an den Chor. Regelmäßig können Sänger aus beruflichen Gründen nicht zur Probe kommen. Nur noch einmal hat der Chor die Chance, vor dem Konzert in kompletter Besetzung zu üben. Aber der Dirigent ist gelassen. "Musikalisch haben wir das schon", bilanziert er die vorangegangenen zweieinhalb Stunden. Dieter Schaller mahnt seinen Kollegen trotzdem, in den nächsten Tagen zu Hause zu üben. Denn er möchte am Samstag Werbung für den Chorgesang allgemein machen und speziell für seinen Chor. Derzeit hat dieser 16 Mitglieder, der Vorsitzende hätte aber gerne mehr als 20 Sänger. Ein Indiz für das hohe Niveau des Chors ist, dass Michael Schröck aus Stuttgart dazu gehört. Er hat einen professionelle Ausbildung und singt unter anderem in der Gächinger Kantorei.
Nach der Probe summt Thomas Weber vor sich hin, während er Stühle aufräumt. "Singen rettet mein Leben, sonst hätt ich schon längst einen Herzinfarkt", erklärt er. Beruflich ist er viel im Ausland, erste zwei Stunden vor der Probe kam er aus England zurück. Thomas Haisch hebt die positive Wirkung des Gesangs auf die Gesundheit ebenfalls hervor und meint, eigentlich müsste die Krankenkasse den Beitrag für den Gesangverein zahlen.
ENSTEHUNG DES NAMENS
Der Kammerchor Feuchtes Eck gehört zum Männergesangsverein (MGV) Neuhausen. Zur Entstehung des kuriosen Namens gibt es mehrere Versionen. Tatsache ist, dass die Gründung des Chors auf das Jahr 1908 zurückgeht. Damals gingen junge Sänger aus Neuhausen zur Musterung nach Esslingen, durch ihren vierstimmigen Gesang fielen sie einem Major auf. Dieser hat sie, vor versammelter Mannschaft vorzusingen. Danach sollen sie in eine Gaststätte gegangen sein, die Feuchtes Eck hieß. Der Vorsitzende Dieter Schaller hält das aber für weniger wahrscheinlich. In den Folgejahren zogen die jungen Sänger in Neuhausen regelmäßig durch die Wirtschaften, oft bekamen sie Getränke spendiert. Mit unter habe der Wirt ein kleines Fass zum Ausschenken auf eine Tischecke gestellt, die im Volksmund "feuchtes Eck" geheißen habe. Das hält Schaller für eine nachvollziehbare Erklärung. Redaktion: KLAUS HARTER